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Auf neuem Kurs mit 62

Andrea Pfalzgraf arbeitete 27 Jahre als Journalistin, Autorin und Dok-Filmerin. Mit 62 wagte sie einen mutigen Schritt, liess sich frühpensionieren und schuf sich so den Raum, sich selbst noch einmal ganz neu zu entdecken. Nun zeigt sie in einer Ausstellung ihre Werke.



Wie sah Dein Leben bis vor Kurzem aus?

Mit Bildern Geschichten erzählen, das war die letzten 27 Jahre meine Berufung und auch ein Traumjob für mich. Als Journalistin, Autorin und Dok-Filmerin fühlte ich mich immer privilegiert, das machen zu dürfen, was mich interessiert. Spannenden Menschen zuhören, Fragen stellen und einen kreativen Weg finden, diese Geschichten einem grossen Publikum zugänglich zu machen. Das war grossartig, wahnsinnig inspirierend, oft aber auch unglaublich stressig.


Was hat Dich zu einem Kurswechsel im Leben bewogen?

Es gab strukturelle Veränderungen im Betrieb, die meine Autonomie bei der Arbeit stark eingeschränkt hätten und ich stand unter enormem Leistungsdruck. Aus diesen Gründen habe ich mit 62 entschieden, das SRF zu verlassen und mich nur noch mit meinen eigenen Projekten zu beschäftigen.


Inwiefern haben die Wechseljahre und das Älterwerden dazu beigetragen?

Eines Tages bin ich im Schnittraum einfach ohnmächtig geworden. Ohne den Hinweis von meinem Körper hätte ich es wohl nicht verstanden, dass ich schon lange über meine Kräfte funktionierte. Die Wechseljahre haben mir gezeigt, dass ich nicht mehr über die Kräfte einer 20jährigen verfüge und dass ein Wechsel notwendig ist. Ziemlich genau mit 50 haben bei mir Wallungen angefangen, später kamen Stimmungsschwankungen und Panikattacken dazu. Ich habe eine Weile gebraucht, zu verstehen, dass dies mit den Wechseljahren zusammenhängt.


Was hat Dir dabei geholfen?

Menschen wie Corina haben mir geholfen, diesen Prozess besser zu verstehen. Corina gab mir viele praktische Tipps und Übungen. Entspannungsübungen und Yoga halfen mir sehr und alles, was mit Introspektion und Bewusstseinsschulung zu tun hatte. Durch sie konnte ich die neue Situation annehmen und zulassen.


Wenn Du Dein neues Leben in ein Mantra verpacken müsstest, wie lautet es?

Nur noch dürfen anstatt müssen.


Wie sieht Dein jetziges Leben und Dein Tagesablauf aus?

Nachdem ich meinen Job aufgegeben hatte, habe ich einmal gar nichts geplant. Ich unternahm eine lange Wanderung entlang der Ostsee, um meinen Kopf frei zu kriegen und herauszufinden, was ich eigentlich möchte. Ich war ein paar Wochen allein zu Fuss unterwegs. Jetzt nehme ich nur noch wenige Projekte an. Ich versuche, mehr in den Tag hineinzuleben und am Morgen zu entscheiden, was ich machen möchte. Ich nehme mir auch wieder viel mehr Zeit für soziale Kontakte.

Seit ich über meine Zeit vollständig selbstbestimmt verfügen kann, habe ich begonnen, in einem Atelier mit Farben und Materialien zu arbeiten, die mir bis anhin fremd waren. Ich hatte das Bedürfnis, einfach auszuprobieren ohne zwingend zu einem vorzeigbaren Resultat gelangen zu müssen. Das war purer Luxus für mich und ich entdeckte ein neues Universum. Nicht zielorientiert und faktenbasiert, sondern ausschliesslich intuitiv und lustvoll an ein Werk heranzugehen, das ist absolutes Neuland für mich.


Das hört sich so an, als ob Du Dich auf einer Entdeckungsreise neu kennenlernst...

Mit fast kindlicher Neugier entdecke ich und vergesse dabei oft die Zeit. Erst wenn der Rücken schmerzt, realisiere ich, dass ich wieder stundenlang vertieft war. Ein Gefühl, dass ich von meiner Kindheit kannte, welches längst in den Hintergrund geraten war.

Ich kann wieder ganz im Moment sein. Dem möchte ich wieder zunehmend Beachtung schenken. Vergangenheit und Zukunft sind ja lediglich Vorstellungen.


Welchen Traum willst Du Dir noch erfüllen?

Momentan besteht mein kleines Atelier aus einem alten Küchentisch im Keller, eingezwängt zwischen Regalen und einem Schrank. Natürlich wünsche ich mir einen grossen Raum, in dem ich mich künstlerisch ausleben kann. Sollte er sich nicht erfüllen, bin ich trotzdem zufrieden mit der kleinen Freiheit, welche mir zur Verfügung steht.


Gibt es Dinge, mit denen Du in Deinem neuen Leben haderst?

Ich habe mich zwar offiziell frühpensionieren lassen. Aber pensioniert zu sein passt (noch) nicht zu mir. So habe ich beschlossen, mich von nun an «selbstständig» zu nennen.

Ist doch ein schöner Begriff. Auf eigenen Beinen stehen.

Manchmal tappe ich aber immer noch in die Falle, zu viel zu wollen.


Wie ist es dazu gekommen, dass Du nun zum ersten Mal ausstellst?

Als mich im letzten Jahr eine Künstler:innen Gruppe www.kunst-schaffende.ch anfragte, ob ich bei einer Webseite mitmachen würde, sagte ich spontan Ja. Allerdings ohne zu ahnen, wozu dies führen würde.

Nun darf ich zum ersten Mal mit der Gruppe ausstellen. Das macht mich sehr nervös. Mein Plan war eher in meinem stillen Kämmerlein künstlerisch tätig zu sein. Ohne bewertendes Publikum, ohne Stress oder Angst, ob jemandem gefällt, was ich erschaffe.

Mich mit meinen Werken zu zeigen, braucht Mut. Es bedeutet in erster Linie für mich, dass ich zu mir stehe, zu dem, was aus mir herausgekommen und nun auf einer Leinwand festgehalten ist und es auch fremden Augen und entsprechenden Kritiken auszusetzen. Ich bin gespannt. Aber darum geht es ja schlussendlich auch – zu mir zu stehen und mich zu zeigen. Das werde ich jetzt in der Gruppenausstellung Alles gewöhnlich. ausser.



Gruppenausstellung

Alles gewöhnlich. ausser.


Galerie Märtplatz

Obere Bahnhofstr. 7

8910 Affoltern am Albis


Vernissage

17. März 2023

19 -21 Uhr


17. März bis 2. April 2023

Freitags 17 – 20 Uhr

Samstag 10 – 13 Uhr

Sonntag 14 – 17 Uhr

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